Die Reise mit und zum inneren Kind
KIND sein ist wahrlich etwas wundervolles. Man hat keine schwerwiegenden Sorgen. Von Essen bis Finanzen wird alles für einen organisiert. Man hat befreit Spaß, kann alles um sich herum vergessen und voll im Moment sein. Sobald man erwachsen wird, hört das bei vielen leider in der Intensität auf. So auch bei mir. In der Podcastfolge von Hotel Matze mit Nina Chuba hat die Sängerin im Interview erzählt, dass sie sich noch genau an den Moment erinnern kann. Der Moment, als sie irgendwann zu alt zum Spielen war und sich plötzlich, wie als Geist, von oben hat spielen sehen und sich gefragt hat, was sie da gerade eigentlich macht. Diese Beschreibung ist mir direkt im Kopf geblieben. Ab diesem Zeitpunkt tragen wohl die meisten von uns diese innere, oft bewertende, Stimme mit sich herum.
Der innere Kritiker, der einem das Leben wirklich schwer machen kann.
Erwachsensein wird überbewertet…kaum hat man ein Problem gelöst, tauchen zehn Neue auf. -- Dr. Manson (Buch: Eine Frage der Chemie)
Auch mir ging und geht es noch heute in manchen Situationen so. Wenn etwas nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Oder wenn ich mal wieder gestresst bin. Dann kommt diese Stimme gehäuft auf. „Ich kann das nicht“…da fühlt man sich klein und hilflos. „Wie konnte nur mir das passieren, ich bin wirklich dumm“. Man ist von seinen Gefühlen überwältigt und kommt nicht vom Fleck, wie gelähmt. Der Kopf ist benebelt von Wut, Trauer oder Angst. Was mir jedoch in diesem Zusammenhang sehr geholfen hat ist die Auseinandersetzung mit mir und meinen Wurzeln. Genauer gesagt, die Arbeit mit meinem inneren Kind. Aus diesem Grund war es mir ein großes Anliegen, zu diesem Thema einen Blogeintrag zu schreiben!
Konzept "Inner Bonding"
Der ursprüngliche Ansatz der inneren Kindarbeit wurde Anfang der 90er Jahren unter dem Titel Inner Bonding von Dr. Margaret Paul und Erika Chopich entwickelt und veröffentlicht. Inner Bonding lehrt dich, wie du in belastenden und stressigen Situationen liebevolle Entscheidungen für dich treffen kannst. Du lernst, deine alten Muster abzulegen und effektiv mit Gefühlen wie Angst oder Wut umzugehen. Du fragst dich nun wie? Helfen soll hier der 6-stufige Prozess zur inneren Transformation.
1. Körper spüren, alle Gefühle (auch die negativen) wahrnehmen und darauf aufbauend Verantwortung für Gefühle übernehmen.
Dem inneren Kind zuhören und es ernst nehmen: Wieso bin ich wütend?
2. In die Absicht gehen, mich selbst und andere lieben zu lernen.
Liebe und Mitgefühl entwickeln: Es ist okay, dass ich wütend bin.
3. Dialog mit meinem Inneren Kind und meinem verletzten Selbst führen
Glaubenssätze und Schutzstrategien herausarbeiten:
Was sage ich mir oder tue ich, was diese Gefühle verursacht?
4. Dialog mit meiner höheren Führung, meiner Intuition.
Glaubenssätze neu aufstellen und Aktion überlegen, um etwas für sich zu tun:
Welche liebevolle Handlung hilft mir weiter?
5. Ins Tun kommen: liebevolle Handlung ausführen.
6. Reflektieren, was die Aktion mit einem gemacht hat.
Vertrauen in sich stärken: Fühlt es sich stimmig und liebevoll an?
In zwei Folgen meines Lieblingspodcasts Female Leadership von Vera Marie Strauch wird das Thema Inner Bonding behandelt. Die eine Folge besteht aus einem Interview mit Margaret Paul. Die zweite ist eine knackige Zusammenfassung der sechs Schritte. Kann ich beide sehr empfehlen!
Gerade das Interview fand ich super spannend. In diesem geht Margaret Paul auf den Ursprung des Konzepts ein. Sie beschreibt die Seele als einen Spiegel unserer Gefühle. Die Verbildlichung des inneren Kindes in diesem Zusammenhang soll uns helfen, das Thema greifbar zu machen. Die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen ist schließlich einfacher als für eine Seele!
Wir selbst haben unser verwundetes Selbst, das innere Kind, erschaffen indem wir uns antrainiert haben, die Kontrolle zu behalten, Liebe von außen einzufordern und gleichzeitig Schmerz zu vermeiden, um uns letztendlich sicher zu fühlen. In diesem Zusammenhang nennt sie ein, wie ich finde, unglaublich gutes Beispiel:
Sie berichtet von sich, wie sie immer eine sehr feste Schläferin war. Bis ihr Baby auf die Welt kam. Ab diesem Zeitpunkt wachte sie nachts bei jedem kleinen Mucks auf. Sie war rund um die Uhr motiviert, für ihr Kind da zu sein und alles für sein Wohlergehen zu tun. Und genau so motiviert sollten wir auch sein, um uns selbst Liebe und Verständnis zu schenken. Das fällt vielen, wie auch mir manchmal, leider nicht immer leicht. Doch Margaret sagt, sobald wir diese Motivation für uns finden, haben wir automatisch den „Inner Baby-Monitor“ an. Damit nehmen wir jederzeit wahr, wie wir mit uns umgehen, was wir fühlen und vor allem was wir brauchen. Mit diesem Bewusstsein sehen wir auch, was bei anderen gerade los ist. Wir schaffen es, durch die Brille unseres Gegenübers zu schauen und die Person zu verstehen.
Warum uns das alles jedoch oft schwer fällt, erklärt sie anhand der Zusammensetzung unseres Gehirns.
Linke Gehirnhälfte:
Unsere untere linke Gehirnhälfte bildet unser (verletztes) Ego ab. Die Hauptaufgabe des Egos ist es, unsere Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Sicherheit zu stillen. Außerdem reminisziert es über vergangene Ereignisse. Es möchte feststellen, ob wir etwas anders hätten machen können, das den Ausgang einer Situation oder unsere Zukunft verbessert hätte. Es geht somit sehr analytisch vor. Ursprung ist der Überlebensinstinkt aus der Steinzeit.
Die obere linke Gehirnhälfte ist dafür verantwortlich, Dinge anzugehen und somit Aktionen umzusetzen. Außerdem hilft sie uns Pläne zu erstellen und logisch sowie rational zu denken.
Rechte Gehirnhälfte:
Unsere untere rechte Gehirnhälfte spiegelt unsere Inner Soul, also unser inneres Kind wider. Hier entstehen intuitive und emotionale Gedanken.
Die obere rechte Gehirnhälfte ist für Kreativität und die Verbindung zu unserer, wie Margaret sie nennt, Higher Soul der Weisheit, Liebe und Zufriedenheit verantwortlich. Sie verfolgt unser höchstes Wohl und will uns helfen, das Leben zu genießen und zu wachsen.
Wenn ich mich also mit dem Thema Inner Bonding noch nicht beschäftigt habe, dann kommuniziert meist die untere linke Gehirnhälfte (Ego) mit der oberen linken Gehirnhälfte, die für die Aktionen verantwortlich ist. Dies führt zu Chaos und Schmerz, da ich die Aktionen auf Basis meines verwundeten Egos nicht oder nur bedingt umsetzen kann. Dies führt zu Unzufriedenheit und noch mehr Schmerz.
Simplifiziertes Beispiel: Ich bin sehr streng mit mir und mein Ego verbietet mir am Wochenende mit Freunden auszugehen, weil ich denke ich habe noch nicht genug gelernt für die Prüfung nächste Woche. Also bleibe ich Zuhause, was mich jedoch traurig macht und mir das lernen erschwert.
Um diesen Bann zu durchbrechen muss ich es somit schaffen, neue neuronale Wege in der oberen Gehirnhälfte zu schaffen, indem ich mir gegenüber bewusst Liebe empfinde und Verantwortung für mich und meine Gefühle übernehme. In anderen Worten, ich muss wohlwollend mit mir umgehen und mir auch mal Spaß gönnen. Wie zum Beispiel am Wochenende mit Freunden auszugehen! Nur dann kann ich die Aktionen auch so umsetzen, dass sie mir helfen und mich weiterbringen. D.h. Ich gehe Samstagabend aus, dafür kann ich am Sonntag entspannt lernen und bin zufrieden. Dann kann ich meine ganze Energie effizient nutzen und meine Seele nach außen strahlen lassen. Was dann im besten Fall auch für Dritte sichtbar ist. Das ist auch dir vielleicht schon bei Personen aufgefallen, die einem unglaublich präsent und selbstbewusst gegenüberstehen. Sie strahlen Sicherheit und positive Energie aus. Und genau das finde ich so wundervoll und erstrebenswert!
Wir sind hier auf diesem Planeten aus einem sehr guten Grund: Unsere Seele kam hierher, um uns in unserer Fähigkeit zu lieben weiter zu entwickeln und die Geschenke zu manifestieren, welche uns gegeben wurden. -- Dr. Margaret Paul
Margaret Paul beschreibt dies im Zuge der Traumatherapie sehr schön:
Wir behandeln uns so, wie unsere Eltern uns in der Kindheit behandelt haben oder wie unsere Eltern sich selbst behandelt haben bzw. wie sie selbst früher behandelt wurden. Unser inneres Kind (Inner Soul) ist die Intuition, die aus uns spricht. Wir haben es nicht anders gelernt und das muss auch nicht immer schlecht sein. Wir sollten jedoch diese Sicherheit und Energie ausstrahlen dürfen. Und wenn wir aufgrund unserer inneren Konflikte und des lauten Egos das nicht können, ist es an der Zeit, unsere Higher Soul zu trainieren, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und unsere Seele nach außen strahlen zu lassen!
Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“
Vor einigen Jahren habe ich das Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl geschenkt bekommen. Spiegel Bestseller. Ein Buch nicht primär zum Lesen, sondern zum Arbeiten. Das wurde mir bewusst, als ich damals anfing es zu lesen. Die Beziehung zu den Eltern spielt bei der Erarbeitung des inneren Kindes eine zentrale Rolle. Meine Eltern sind schon lange geschieden und die Beziehung zu meinem Vater hat praktisch nie existiert. Um die Verbindung zu meinem inneren Kind aufzubauen, musste auch ich erstmal verstehen, welche Narben und natürlich auch Highlights ich aus meiner Kindheit mitgenommen hatte. Das ist nicht immer angenehm.
Stefanie Stahl beschreibt in ihrem Buch ein Modell, welches aus drei Bausteinen besteht:
Innerer Kritiker: die böse innere Stimme
Innerer Erwachsener: die rationale Stimme
Inneres Kind: die gefühlsgesteuerte Stimme
Der innere Kritiker ist für mich hier gleichzusetzen mit dem Ego. Im inneren Kind stecken das Sonnen- und das Schattenkind. Diese beiden werden im Zuge des Buches auch erarbeitet. Das Schattenkind trägt die negativen Glaubenssätze in sich, welche man selbst aus der Kindheit mitgenommen hat. Diese sitzen meist tief im Unterbewusstsein und filtern in vielen Situationen unsere Wahrnehmung als Erwachsene/r. D.h. es entstehen subjektive Interpretationen, die nicht immer mit der Realität übereinstimmen!
Die Autorin nennt in diesem Zusammenhang das sogenannte Urvertrauen, welches sich bereits in den frühen Kindheitsjahren entwickelt. Laut Ihrer Aussage ist es die Grundlage für unser späteres Selbstbewusstsein und unser Selbstwertgefühl. Je gestärkter das Urvertrauen ist, desto weniger tritt unser Schattenkind ins Licht. Stattdessen meldet sich das Sonnenkind. Das Sonnenkind in uns hat verstanden, dass es selbst für sein Glück verantwortlich ist. Es hat eine positive Lebenseinstellung und einen objektiven Blick auf die Welt. Es steht für sich ein und kennt seine guten Eigenschaften. Um den Rückschluss auf das Inner Bonding Konzept zu schaffen, ist das Sonnenkind für mich gleichzusetzen mit der Higher Soul.
Das Sonnenkind zu zeigen hört sich auf dem Papier einfach an, ist es aber natürlich nicht. Wie kann ich mein Urvertrauen und somit meinen Selbstwert stärken, um mich letztendlich besser zu fühlen? Dabei soll das Buch helfen. Wenn man für sich einstehen will, muss man zuerst einmal wissen, welche Bedürfnisse man hat. Der erste Schritt dazu ist, erst einmal seine Gefühle wahrzunehmen und vor allem diese zu verstehen. Denn hinter jedem Gefühl steckt meist ein Bedürfnis. Doch wir wollen dort oft nicht hinschauen, denn das kann weh tun. Deshalb haben wir von Klein auf so genannte Schutzstrategien entwickelt, um genau das zu umgehen. In anderen Worten verdrängen wir unser Schattenkind und mit ihm die negativen Glaubenssätze und Gefühle. Dabei sind diese so wichtig, um zu verstehen, was wir brauchen!
Das Gemälde Ihres Lebens, das aus Ihren Alltagserfahrungen, Ihrem Verhalten, Ihren Reaktionen und Gefühlen entsteht, malen Sie selbst! -- Oprah Winfrey (Buch: Was ich vom Leben gelernt habe)
Zum Thema Bedürfnisse erkennen kann ich eine Folge von Dr. Leon Windscheid aus seinem Podcast Gefragte Gedanken bei Podimo empfehlen. Dort spricht Dr. Bastian Willenborg im Interview über die Schematherapie. Sie ist eine Form der Psychotherapie, die davon ausgeht, dass es bestimmte erlernte Grundschemata gibt, die darauf abzielen, die seelischen Grundbedürfnisse zu befriedigen, und im Zuge dessen das Verhalten von Menschen steuern. Falls euch das näher interessiert, solltet ihr unbedingt reinhören!
Mir hat das Buch von Stefanie Stahl geholfen, meine Schutzstrategien herauszuarbeiten. Um ein Beispiel zu nennen: Macht- bzw. Kontrollstreben mit dem Glaubenssatz „Ich muss alles im Griff haben“. Personen mit dieser Strategie (wie ich) sind sehr diszipliniert und haben einen starken Willen, was oft einen positiven Aktionismus mit sich bringt. Auf der anderen Seite besteht bei ihnen die Angst, dass etwas schiefgeht, wenn sie Dinge nicht selbst erledigen. Solche Personen haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis und ihnen fehlt das Vertrauen (in sich und anderen gegenüber), dass es schon gut gehen wird. Mir das bewusst zu machen war unglaublich heilsam. Es hat mir geholfen loszulassen, mich bewusst auch auf andere zu verlassen und zu vertrauen. Das klappt natürlich nicht immer. Gerade in meinem aktuellen Job als Abteilungsleiterin ertappe ich mich ab und an noch dabei, dass ich die Kontrolle manchmal schwer aus der Hand geben kann. Da lerne ich auch weiterhin noch dazu. Neben den bereits genannten Schutzstrategien gibt es noch viele andere. Es lohnt sich also, das Buch zu lesen und die eigenen Strategien herauszufinden!
Sich den Schutzstrategien bewusst zu machen beschreibt Stefanie Stahl in etwa so: Das Schattenkind und die negativen Gefühle muss man verstehen und akzeptieren. Das bedeutet, man nimmt die rationale Position des Erwachsenen-Ichs ein und kann sich selbst trösten.
Neben dem Erwachsenen-Ich und dem Schattenkind erwähnt sie außerdem die Position des Gegenübers (andere Person), welche man ebenfalls bewusst warnehmen sollte. Dies ist für alle zwischenmenschlichen Beziehungen hilfreich. Ihre Aussage dazu ist, dass Beziehungsprobleme oftmals mit den Problemen zusammenhängen, die man mit sich selbst hat. Das fand ich spannend! Darüber hinaus habe ich Inhalte in einem Podcast gefunden, die sich noch tiefer mit dieser Aussage beschäftigen. Da dies jedoch den Rahmen des Blogeintrags sprengen würde, gibt es zum Thema Inneres Kind und Beziehungen einen eigenen Eintrag.
Schutzstrategien verfälschen unsere Authentizität. -- Stefanie Stahl
Diese Aussage finde ich unglaublich kraftvoll und sie unterstreicht meiner Meinung nach auch die Inhalte des Inner Bonding Konzepts von Margaret Paul und Erika Chopich in Bezug auf die Higher Soul. Nur wenn wir wohlwollend mit uns umgehen und unsere Gefühle sowie Bedürfnisse verstehen, können wir selbstbewusst und authentisch handeln und unsere Seele nach außen strahlen lassen!
Ich hoffe, dieser Eintrag ist Inspiration, um euch mit diesem Thema auseinanderzusetzen (falls ihr es nicht schon getan habt, bzw. aktuell tut) und hilft euch, eure Seele strahlen zu lassen!
Eure Miss Sophie
Comments